Schadstoffübersicht
 
 

Flüchtige organische Verbindungen (VOC)

In der Innenraumluft lassen sich weit über hundert flüchtige organische Verbindungen (VOC) nachweisen, die aus verschiedenen Quellen in die Raumluft emittiert werden. Da sich die Zusammensetzung vieler in Innenräumen eingesetzter Produkte im Laufe der Zeit ändert, ist davon auszugehen, dass sich auch die Zusammensetzung des in der Innenraumluft beobachteten VOC-Gemisches über Jahre hinweg verändert. Ursache hierfür sind z.B. ein geändertes Konsumverhalten der Bewohner, beispielsweise beim Möbelkauf oder bei der Auswahl von Anstrichstoffen, und die Substitution von Verbindungen mit nachgewiesener und vermuteter toxikologischer Relevanz.

Über Prüfkammeruntersuchungen werden die Emissionen von z.B. Möbeln zur Vergabe von Umweltzeichen geprüft. Die Konzentrationsverteilungen von VOC in der Innenraumluft wurden mittlerweile in mehreren Studien beschrieben, wobei der Umwelt-Survey des WaBoLu aus den Jahren 1985/86 aufgrund veränderter Produkte nicht mehr dem heutigen Stand entsprechen dürfte. Eine ausführliche Übersicht zu Innenraumbelastungen durch Lösemittel gibt die Bröschüre Vorsicht Lösemittel – Nicht nur frisch gestrichen.

Kohlenwasserstoffe

Kohlenwasserstoffe sind Bestandteile des Erdöls und gelangen als Lösemittel oder als Bestandteile von Heizöl und Kraftstoffen in Innenräume. Innerhalb der Kohlenwasserstoffe kann man drei Gruppen unterscheiden: die gesättigten, die ungesättigten und die aromatischen Kohlenwasserstoffe. Besonders Problematisch sind dabei die aromatischen Verbindungen. Insbesondere ist hier das als krebserregend eingestufte Benzol zu nennen, das aber mittlerweile nur noch über Kfz-Abgase beispielsweise aus integrierten Garagen in die Innenräume gelangt. Die ungesättigten Verbindungen, wie das trimere Isobuten oder das 4-Phenylcyclohexen, sind hauptsächlich Verunreinigungen bei der Herstellung von Polymeren wie z.B. Syntheselatex. Sie werden häufig im Zusammenhang mit Geruchsproblemen relevant.

Terpene

Terpene gehören ebenfalls zu den ungesättigten Kohlenwasserstoffen. Aufgrund ihrer natürlichen Herkunft werden sie jedoch von diesen unterschieden. Terpene sind Bestandteile etherischer Öle und in der Regel geruchsintensiv. In Innenräumen gelangen sie als Lösemittel für Naturfarben oder als Ausdünstungen aus frischgeschlagenem Holz. Problematisch ist insbesondere D3-Caren, das in Nadelhölzern enthalten ist, sensibilisierend wirkt und daher i.d.R. in Naturfarben nicht mehr verwendet wird. Pinene in Innenräumen stammen ebenfalls aus frischem Nadelholz und sind Hauptbestandteil von Terpentinölen. Limonen ist hauptsächlich in den Schalen von Zitrusfrüchten enthalten und wird als Lösemittel in Naturfarben, Zitrus-Duftstoffen, in Reinigungsmitteln und Kosmetika eingesetzt.

Höhere Aldehyde

Aufgrund ihrer relativ niedrigen Geruchsschwelle besitzen Aldehyde eine erhebliche Bedeutung für die Qualität der Innenraumluft. Eine Übersicht über die zu erwartenden Konzentrationen in der Raumluft gibt. Insbesondere n-Hexanal stellt eine Leitkomponente dar, wenn die Geruchsbelästigungen mit Aldehyden in Verbindung ge­bracht werden können. Im Vergleich zu anderen Aldehyden wie Furfural (K3B) und Benzaldehyd weisen die höhere aliphatische Aldehyde eine vergleichsweise geringe Toxizität auf. Quellen sind einerseits Materialien aus Holz und zellulosischem Material wie Paneele, Laminat, Fertigparkett oder OSB-Platten, bei denen die Aldehyde produktionsbedingt aus Restbeständen von Harzen entstehen. Hierbei treten in geringeren Konzentrationen auch ungesättigte Aldehyde und Ketone auf, die teilweise extrem niedrige Geruchs­schwellen besitzen - z.B. 1-Nonen-3-on = 0,02 µg/m³ - und somit bereits in Spuren einen deutlichen Beitrag zu der Geruchsbelastung liefern. Weitere Quellen sind Produkte auf Basis von Leinöl, das beispielsweise als Bindemittel in Naturfarben und zur Herstellung von Linoleum eingesetzt wird. Entscheidend für das Ausgasungsverhalten ist - wie bei vielen Naturprodukten - die Qualität des Herstellungsverfahrens.

Neben diesen Beispielen der Freisetzung von Aldehyden aus nachwachsenden Roh­stoffen können auch synthetische Materialien als Quelle für Aldehyde in Innenräumen verantwortlich gemacht werden. So können Phthalate, welche als Weichmacher Bestandteil von PVC-Bodenbelägen sind, auf zu feuchten Estrichen hydrolisieren und allmählich in die entsprechenden Aldehyde (Ethylhexanal) oxidiert werden. Auch Low Density Polyethylen (LDPE) kann unter ungünstigen Voraussetzungen und im Kontakt mit Metallen als Katalysator durch radikalische Zersetzung in olefinische Bruchstücke und anschließende Oxi­da­tion in die entsprechenden Aldehyde eine unerwartete Geruchsproblematik verursachen.

Halogenierte Kohlenwasserstoffe

Der Eintrag halogenierte Kohlenwasserstoffe in die Innenraumluft hat in den letzten Jahren erheblich nachgelassen. Für Pflegemittel, Klebstoffe und Fleckenwasser gaben die auf diesen Gebieten tätigen Industrieverbände Verzichtserklärungen ab. Im industriellen Bereich werden sie als Entfettungsmittel verwendet. Haupteintrag chlorierter Kohlenwasserstoffe, insbesondere von Tetrachlorethen, ist die Anwendung in chemischen Reinigungen einerseits durch gereinigte Textilien und andererseits im Umfeld von Chemischen Reinigungen – auch wenn diese seit Einführung eines Grenzwertes durch die 2. Bundesimmissionsschutzverordnung erheblich gesunken ist. Da bei einer Reihe von halogenierten Lösungsmitteln krebserzeugendes Potential besteht (Chlorofom [K4], Trichlorethen [K1], Tetrachlorethen [3B]), sollte die Belastung dieser Substanzen in Innenräumen so gering wie möglich gehalten werden.

Alkohole

Zu den bekanntesten Alkoholen zählt Ethanol, das durch Gärungsprozesse entsteht und in großen Mengen in alkoholischen Getränken enthalten ist. Das Vorkommen von iso-Propanol und Ethanol ist hauptsächlich auf deren Einsatz in Reinigungsmitteln, Raumluftsprays und Kosmetika zurückzuführen. Höhere Alkohole werden als Lösemittel für Lacke, Farben, Harze, Polituren, Extraktions- und Reinigungsmittel sowie für die Kunststoffherstellung, in Parfümen und Aromastoffen verwendet.

Erhöhte Konzentrationen des geruchsintensiven Alkohols 2-Ethyl-1-hexanol korrelieren in der Regel mit vorliegenden, häufig versteckten Feuchteschäden, wobei in großem Umfang als Weichmacher eingesetzte DEHP unter alkalischen Bedingungen (z.B. auf einem Estrich) hydrolisiert wird. Die gleiche Beobachtung gilt für n-Butanol, der unter diesen Bedingungen aus dem Weichmacher Dibutylphthalat (DBP) entsteht.

Ester (monofunktionell) und Ketone

Ester sind häufig angenehm fruchtig riechende Stoffe mit guten Lösemitteleigenschaften. Ihre Geruchsschwelle ist individuell stark unterschiedlich. Ester werden als Extraktionsmittel, als Lösemittel in Klebern, Farben und Lacken verwendet. Ketone wie Aceton oder Methylisobutylketon sind klare, leichtflüchtige Lösemittel mit charakteristischem Geruch.

Ester und Ether mehrwertiger Alkohole (Glykolverbindungen)

Ester und Ether mehrwertiger Alkohole (EEMA) werden vor allem in lösemittelarmen Systemen wie „Wasserlacken“, Dispersionsfarben oder Dispersionsklebern verwendet, um den Gehalt leichtflüchtiger Lösemittelbestandteilen aus Arbeitsschutzgründen zu vermindern. Ihr Gehalt der Innenraumluft ist deshalb in den letzten Jahren stark angestiegen. Bei der Analytik ist zu beachten, dass bei der konventionellen VOC-Analytik (Aktivkohle, Elution mit CS2) deutliche Minderbefunde auftreten.

Wichtig für ihre Bewertung als potentiell raumluftbelastende Faktoren ist ihre deutlich geringere Flüchtigkeit im Vergleich zu den "klassischen" Lösemittelkomponenten aufgrund der höheren Siedepunkte (zwischen 125°C und 250°C). Dadurch erreichen diese Chemikalien zwar während und unmittelbar nach der Verarbeitung entsprechender Produkte bei weitem nicht so hohe Raumluftkonzentrationen wie die leichtflüchtigen Lösemittel, jedoch gasen sie über sehr lange Zeiträume aus.

Aus toxikologischer Sicht ist wenig über Glykolester und -ether im Niedrig-Dosis-Bereich bekannt. Doch sind Ethylenglykolether als deutlich kritischer einzustufen als Propylenglykolether. In Zusammenhang mit Geruchsproblemen tritt häufig 2-Phenoxyethanol auf.

Siloxane

Siloxane treten immer häufiger bei Analysen von Raumluftproben auf. Ihre Quellen sind insbesondere Möbellacke, in denen sie als Additive zur Verminderung der Oberflächenspannung, der Verbesserung des Verlaufes oder der Erhöhung der Kratzfestigkeit zugesetzt werden, oder Siliconprodukte, die beispielsweise zur Hydrophobierung von Baustoffen und Produkte des persönlichen Bedarfes verwendet werden. So enthalten Deoroller bis zu 60 Gewichtsprozent an Siloxanen. Daten zur toxikologischen Bewertung dieser Substanzen in der Innenraumluft liegen bisher nicht vor.

Phenole/ Kresole

Aufgrund ihrer recht hohen Siedepunkte um 200°C gehören die Phenole und Kresole eher zu den Hochsiedern. Dies hat zu Folge, dass sie über längere Zeiträume hinweg aus in Innenräumen eingesetzten Materialien ausgasen können. Sie sind in großen Mengen in Teerölen enthalten, die durch Erhitzen von Steinkohle, Braunkohle oder Holz unter Luftausschluß erzeugt werden. Der charakteristische und unangenehme Geruch vieler Phenole und Kresole ist stark durchdringend. Aufgrund ihrer sehr niedrigen Geruchsschwellenwerte (Kresole: 4 µg/m³; Phenol: 200 µg/m³) kann dies zu einer lang­andauernden Geruchsbelästigung führen. Phenole (K3B) und Kresole (K3A) gelten als möglicherweise krebserzeugend.

Viele Phenole und Kresole wirken stark fungizid und bakterizid. Sie werden daher als Wirkstoffe in Desinfektionsmitteln und zur Konservierung von Leim, Klebstoffen und Tinten eingesetzt. Die biozide Wirkung der Phenole und Kresole macht Teeröle zu sehr wirksamen Holzschutzmitteln (Carbolineum). Neben dem Einsatz als Desinfektions- und Reinigungsmittel in der ehemaligen DDR, der bis heute zu erheblichen Geruchsbelästigungen führt, sind Produkten aus Phenolharzen oder andere Phenolverbindungen enthalten. In Untersuchungen konnten vor allem phenolharzgebundene Spanplatten, Bodenbelagskleber auf der Basis von Sulfitablauge, Ausgleichsmassen auf Phenolharzbasis, Steinholzestrich, Mineral- und Glaswolle, PVC-Bodenbeläge, Kassettendecken und Polstermaterialien als Phenolquellen identifiziert werden. Weitere, relevante Quellen können elektronische Gebrauchsgegenstände wie z.B. Computer, Fernseh- oder Rundfunkgeräte sein, da die Leiterplatten mancher Geräte aus phenolharzgetränktem Papier (Pertinax) hergestellt sind und beim Erwärmen Phenol und in geringerem Umfang Kresole abgeben.

Acrylate

Die Produktion von Alkylacrylsäureester hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Alkylacrylsäureester lassen sich leicht polymerisieren und bieten daher gute Voraussetzungen für die großtechnische Anwendung bzw. Verarbeitung in den verschiedensten Bereichen. Während bei Acryllacken mit dem Gütezeichen des „Blauen Engel“ keine Acrylatausgasung festzustellen ist, können bei Zwei-Komponenten-Systemen Probleme auftreten. Die meisten dieser Acrylate sind als Monomere giftig und stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

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